Studienreise in Witzenhausen: alte Kirschsorten, majestätische Gewächshäuser und Inspiration auf Schritt und Tritt
Published: 06.12.2024 Reading time: 7 MinutenIm Oktober führten wir die Teilnehmer des Klimaschutzmanagement-Trainings im Rahmen des ELCA-Projekts auf eine Studienreise nach Witzenhausen, dem Sitz des ELCA- Projektleiters GNE. Wir erlebten eine Reihe von Vorträgen, Best-Practice-Beispielen und angenehmen und informativen Besichtigungen.
Gemäß unserer Mission entschied sich das rumänische Team für eine sparsame und emissionsarme Busfahrt und die tschechische Team für eine angenehme und umweltfreundliche Fahrt mit dem Nachtzug über Wien und Göttingen.
Die majestätischen Gewächshäuser von Göttingen und das fortschrittliche Kassel
Am Sonntagmorgen besuchte das tschechische Team zunächst den einzigartigen alten botanischen Garten im Zentrum von Göttingen. Wir erkundeten die historischen und vielfältigen Pflanzensammlungen, die die Rolle der botanischen Forschung bei der Erhaltung der biologischen Vielfalt und der Erforschung der Auswirkungen des Klimawandels unterstreichen. Der Rundgang verdeutlichte das Engagement der Institution, ein Gleichgewicht zwischen historischer Bewahrung und Spitzenforschung zu wahren.
Am Nachmittag trafen sich alle Teilnehmer:innen zum offiziellen Beginn der Studientour auf dem Marktplatz von Witzenhausen. Gemeinsam besuchten sie die Tropengewächshaus der Universität Kassel, dessen Pflanzensammlung sich hauptsächlich auf die nutzbaren Gewächse der Tropen und Subtropen konzentriert.
Bei einem geführten Rundgang durch das malerische Witzenhausen sahen wir unter anderem historische Plätze, alte baubiologisch sanierte Fachwerkhäuser und die historische Stadtmauer aus dem Mittelalter.
Das Programm am Montagmorgen begann mit Vorträgen von Dr. habil. Martin Wiehle über die Aktivitäten, Ausbildungsmöglichkeiten und Kooperationen der Universität Kassel und des Fachbereichs 11 am Standort Witzenhausen. Der Standort ist langjährig ein Zentrum für Innovation und Forschung, das sich den drängendsten Herausforderungen im Bereich nachhaltiger Agrar- und Ernährungssysteme widmet. Klimamanager Jürgen Binning und Stadtrat Reiner Winkler begrüßten offiziell die Gäste und gaben im Anschluss ihren Zuhörern viele detaillierte Einblicke in das lokale Klimaschutzmanagement von Stadt und Landkreis.
Am Nachmittag stand ein Besuch der Hessischen Staatsdomäne an. Sie ist seit 1998 der Lehr- und Versuchsbetrieb der Universität Kassel und ein Beispiel für einen transparenten, modellhaften Betrieb für nachhaltige landwirtschaftliche Praktiken. Als Lehr- und Forschungseinrichtung unterstützt er die interdisziplinäre Lehre, die praktische Ausbildung und die Spitzenforschung. Zu seinen Zielen gehören eine ressourcenschonende Lebensmittelproduktion, die Förderung der Biodiversität und die Berücksichtigung der sozioökonomischen Aspekte der Landwirtschaft in Zeiten des Klimawandels.
Der Dienstag war für Exkursionen nach Kassel reserviert. Zunächst besuchten wir EMD International, ein Unternehmen 1986 gegründet und mit Hauptsitz in Aalborg, Dänemark. Das Unternehmen ist spezialisiert auf die Bereitstellung von Software, Beratung, Schulung und Fachwissen für Solar- und Windparkprojekte, hybride Energielösungen und komplexe Energiesystemdesigns.
Danach ging es zu einer sehr interessanten Exkursion zum Fraunhofer Institute for Energy Economics and Energy System Technology IEE in Kassel, wo die Teilnehmer erste Einblicke in die anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung für transformative Energietechnologien bekamen voran und auf verschiedene Aspekte der Energieversorgung und -nutzung eingegangen wurde.
In der Akademie der Stadt Kassel genossen wir einen Vortrag mit anschließender langer Diskussion mit Katharina Nießner und Wibke de Boer, den beiden Klimaschutz-Anpassungsmanagerinnen in Kassel, die für die Planung und Umsetzung solcher Strategien verantwortlich sind.
Zum Abschluss des Tages besuchten wir die aktuelle Ausstellung „Veränderungen gestalten“ im SDG+ Lab der Universität Kassel, welche sich mit der Frage beschäftigt, wie man Veränderungen im unmittelbaren Umfeld erfolgreich anstößt und wie sich jeder interaktiv nachhaltig weiterbilden kann.
Kassel als Inspiration für Hodonín
Das Kasseler Programm wurde von Tereza Kleiner, die in Hodonín für das Stadtgrün zuständig ist, besonders gewürdigt.
"Für meine Arbeit ist ein Programm, das sich mehr an Anpassungsthemen für die Stadtlandschaft orientiert, von Vorteil. Deshalb habe ich das Programm in Kassel sehr geschätzt, wo wir uns mit Klimaschutzmanagern getroffen und über ihre Ansätze und ihren Beitrag zu einer 'grüneren' Stadt diskutiert haben“, sagt Tereza Kleiner.
Was Tereza Kleiner besonders gefiel, war der Besuch des UNI:Lokal centre. Die Universität Kassel nutzt diesen Ausstellungsraum im Stadtzentrum, um auf wichtige Themen aufmerksam zu machen. Als wir Kassel besuchten, ging es in der Ausstellung um den Klimawandel und wie man sich an ihn anpassen kann.
„Ich fand diesen Besuch sehr anregend, gerade weil er sich mit den Bürgern der Stadt überschnitt. Es ist eines der Themen in meiner Arbeit, wie man mit der Öffentlichkeit arbeitet, wie man sie informiert, aufklärt und in Themen einbezieht“, sagt Tereza Kleiner.
Die Stadt Hodonín befasst sich mit diesen Fragen sowohl im Zusammenhang mit Konzepten und Investitionen im öffentlichen Raum als auch zunehmend mit dem Klimawandel. Deshalb entwickelt die Stadt Hodonín in Zusammenarbeit mit der Partnership environmental foundation und People in Need ihre Anpassungsstrategie an den Klimawandel.
„Der Besuch im UNI:Lokal-Zentrum war für mich daher ein Anstoß, um zu sehen, wie wir auch mit den Ergebnissen der Strategie arbeiten können“, sagt Tereza Kleiner.
Vorträge, nachhaltige Landwirtschaft und fantasievolles Glamping
Am Mittwochvormittag standen Vorträge der Universitätsprofessoren Hubertus Hofmann und Thomas van Elsen über nachhaltige Forst-, Land- und Abfallwirtschaft, neue soziale Entwicklungen im ökologischen Landbau, Naturschutz und nachhaltige Landnutzung auf dem Programm.
Trotz des regnerischen Wetters besuchten wir am Nachmittag den Bio-Gartenbaubetrieb Grüner Bote,der gesunde lokale Lebensmittel für die Region produziert und über einen Bio-Lebensmittelversand vertreibt. Kunden können über eine Website oder eine App Produkte auswählen und bestellen, die dann frisch und zeitnah nach Hause geliefert werden. Der Neubau des Unternehmens zeigt wie viele Investitionen in nachhaltige Technologien wie Solarenergie, Wasserrecycling und die Verwendung natürlicher Baustoffe gingen.
Das Abendprogramm endete mit einer Besichtigung der historischen Anlagen von Schloss Berlepsch. Die Familie von Berlepsch, die seit Jahrhunderten mit dem Schloss verbunden ist, betreibt heute eigene Windkraftanlagen, die Teil der erneuerbaren Energieinfrastruktur in der Region sind. Im der einzigartigen Baumhausherberge Robins Nest gab es Kürbissuppe und Wein, sie wurde 2022 im Rahmen des nachhaltigen Tourismus zertifiziert.
Der Donnerstag war wieder für eine Tagesexkursion reserviert. Das Landwirtschaftszentrum Eichhof in Bad Hersfeld ist eine Informations- und Bildungseinrichtung des Landesbetriebes Landwirtschaft Hessen (LLH) für den ländlichen Raum in der Nähe von Bad Hersfeld. Hier hatten wir die Gelegenheit, uns über die Feldforschung zum Ertrag schnellwachsender Baumarten für die Holzproduktion und spezieller Pflanzensorten zur Steigerung der Biomasseproduktion für Kompost und landwirtschaftliche Biogasanlagen zu informieren.
Ein Beispiel aus der Praxis war ein örtlicher Viehzuchtbetrieb, der an eine moderne Biogasanlage angeschlossen ist und lokale Heizkraftwerke versorgt.
"Auf dem Eichof ist es unser Ziel, das Beste aus Forst- und Landwirtschaft zu vereinen und damit die landwirtschaftlichen Betriebe langfristig erfolgreich zu beraten, und gleichzeitig dem wachsenden Markt und Forschungsbedarf an nachwachsenden Rohstoffen und Innovationen in diesem Bereich gerecht zu werden." sagen sie.
Kirsche zum Schluss
Der letzte Tag begann mit einer Exkursion zum Biohof Werragut, wo wir etwas über ökologische und soziale Landwirtschaft mit Direktvermarktung und großflächiger Agroforstwirtschaft erfuhren. Seit 2021 wird hier mit Hilfe von ‘Triebwerk’ (Regenerative agriculture and agroforestry UG) ein für die Region wegweisendes Agroforstsystem aufgebaut, in dem Bäume, Sträucher und Ackerbau kombiniert werden. Die gleichzeitige Nutzung von Bäumen und landwirtschaftlichen Nutzpflanzen gewinnt vor allem vor dem Hintergrund des Klimawandels deutschlandweit an Bedeutung.
Diese Form der Landnutzung bietet zahlreiche ökologische Vorteile, wie z.B. die Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit, die Erhöhung der Biodiversität und die Bindung von Kohlenstoff, was sie zu einer vielversprechenden Strategie zur Minderung der Auswirkungen des Klimawandels macht.
Im Dorf Wendershausen führten uns Herr Eberhard Walther und seine Kollegin durch die Versuchskirschenanlage der GNE. Seit 40 Jahren werden hier in wissenschaftlicher Zusammenarbeit mit verschiedenen Institutionen Sortenversuche und Unterlagenforschung (GiseLa Unterlagen) durchgeführt. Junge Kirschbäume, darunter seltene, alte und wertvolle Sorten, werden hier für die Deutsche Genbank Obst (DGO) erhalten. Die verschiedenen Sorten werden vor allem wegen ihrer züchterischen, soziokulturellen und ökologischen Eigenschaften erhalten. Wir haben einen Walnussbaum gepflanzt und auch den Kirschmost aus der Region probiert.
Zurück in Witzenhausen endete die Studienreise am Abend mit einem kurzen Auswertungsworkshop und einem gemeinsamen Abendessen. Die tschechische Gruppe fuhr mit dem Nachtzug zurück nach Wien und weiter nach Südmähren, während die Teilnehmer aus Temesvár, Rumänien und Umgebung noch fast zwei Tage Zeit für die Heimreise hatten.